05.09.2021
Ich bin wieder allein unterwegs. Julias Knie ist noch nicht so weit, dass sie schon wieder mitwandern kann. Auch dieses Mal suche ich mir eine Strecke bei Outdooractive raus. Meine Wahl fällt auf eine Wanderung mit dem komplizierten Titel „246_Neandertalsteig _Erkrath-Hilden Teiletappe 10 auf Etappe 11„. Die Strecke ist einer meiner Wanderung vom Jahresanfang ähnlich. Dort hatte ich zwei Wanderungen aus dem Wanderführer „25 Wanderungen rund um Düsseldorf“ von Mario Tranti kombiniert. Dieses Mal laufe ich zwischen Erkrath und Gerresheim im Uhrzeigersinn. Meine Tour beginnt um kurz nach 10 Uhr an einem Sonn- und Sonnentag am Wanderparkplatz oberhalb des Ausflugsrestaurants „Kaiserhaus“ an der Erkrather Landstraße.


Zwar stehen auf dem Parkplatz bereits viele Autos, aber ich bin im Moment allein. Ich tauche ab in den Wald auf dem Weg ins Rotthäuser Bachtal und es geht sofort abwärts. Auf schönen, teilweise aber ausgewaschenen Waldwegen geht es Richtung Haus Morp. Als ich aus dem Wald komme, öffnet sich das Tal und ich lasse den Blick in die offene Landschaft schweifen.


Über Schotter und Teer geht es zum Haus Morp und in dessen Park. Hier treffe ich auf den Neanderlandsteig. Obwohl ich hier schon über ein Jahr wohne, habe ich den Park bisher nie besucht. Doch der Besuch lohnt sich. Der Park ist sehr schön angelegt. Es gibt einen hübschen Teich. Überall stehen Erklärtafeln, die dem geneigten Besucher Aufbau und Geschichte des Parks näher bringen.

Ich verlasse den Park und damit auch meinen GPS-Track. Denn hier ist eine offizielle Wanderumleitung ausgeschildert. Dieses Mal sind jedoch nicht die Hochwasserschäden schuld. In Erkrath wird eine Fußgängerbrücke über die Düssel ersetzt. Daher ist der Fußweg an der Düssel entlang im Moment nicht passierbar. Ich muss daher etwas mehr durch die Stadt laufen, als ursprünglich vorgesehen, aber kurz vor dem Sportplatz kann ich die Brückenbaustelle gut sehen. Zwar ist das Fundament schon da, aber sonst noch nichts. Hier wäre ich wirklich nicht rübergekommen.


Hinterm Station geht es kurz durch landwirtschaftliche Felder und weiter über die Eisenbahnbrücke. Hier wundere ich mich, dass die Schilder des Neanderlandsteigs anscheinend fehlen. Ich bin diesen Weg schon oft gegangen und kenne mich aus. Also lasse ich mich nicht irritieren, sondern gehe den bekannten Weg. Der führt parallel zur Bahnlinie und dann rechts in den Wald. Der Waldweg ist jedoch gesperrt. „Lebensgefahr“ steht auf dem Schild. Allerdings sehe ich viele Spuren, die um das Gitter herumführen. Ganz unpassierbar wird der Weg wohl nicht sein. Auch kommt mir nach wenigen Metern eine Spaziergängerin entgegen, die mir versichert, dass man den Weg ohne Probleme gehen kann. Nur Minuten später heizen drei Mountainbiker talabwärts an mir vorbei. Mir ist allerdings schon aufgefallen, dass die kleine Schlucht, an der man hier entlanggeht, anders aussieht als sonst. Ihr Boden ist voll gelbem Schlamm. Und dann sehe ich es:

Hier hat das Unwetter zu einem Hangabrutsch geführt. Der Weg ist zur Hälfte weg. Aber als Wanderer kommt man ohne Problem daran vorbei.

Als ich aus dem Wald herauskomme und mich an der kleinen Hütte orientieren will, schaue ich erneut dumm aus der Wäsche. Der Wegweiser ist weg und auch an den Masten sind die Wanderschilder schwarz übersprüht. Noch gehe ich von Vandalismus aus, aber am Waldrand sehe ich frische Neanderlandsteigschilder. Jetzt ist es offensichtlich: Es handelt sich um eine Umleitung wegen des Hangabrutsches. Leider war das nicht beschildert, aber wäre ich den Schilder gefolgt, wäre ich wohl eine mir unbekannte Strecke gelaufen. Sei’s drum. Jetzt sind wir alle wieder zusammen: der Neanderlandsteig, mein Track und ich. Weiter geht’s in einen Hohlweg, der mich nach Unterbach bringt.
Auf den letzten Metern werde ich allerdings angegriffen: Mücken schwirren nicht nur um sich herum, sie haben mich auch zum Fressen gern. Daher muss ich in einer Bushaltestelle kurz meinen Stichheiler herausholen, um die Stiche zu „toasten“. Leider scheinen die Batterien leer zu sein, denn das Ding funktioniert nicht. Also muss ich wohl mit juckendem Schulterblatt und Ellenbogen weiterlaufen.
Mein Track lässt mich die Rothenbergstraße überqueren, die Vennhausen mit Erkrath verbindet. Vennhausens Name kommt vom „Venn/Fenn“, einer Bezeichnung für eine morastige Niederung oder ein Moor. Der schön zu laufenden „Siebenbrückenweg“ führt durch besagtes Venn zum Unterbacher See. Leider finden nicht nur Wanderer und Spaziergänger diesen Weg toll. Ich bin weiteren Angriffen von Mücken ausgesetzt. Nur schnell weg hier!

Nach 10 Minuten treffe ich auf den Unterbacher See und vorbei ist es mit der Ruhe. Schon auf dem Siebenbrückenweg bin ich einigen Leuten begegnet, aber hier an Düsseldorfs Auflugsziel Nr. 1 ist die Hölle los. Für ein Tretboot muss man etwa eine Stunde anstehen. Das gilt zum Glück nicht für die Toilette, auf die ich eben huschen kann. Das ist der Vorteil solcher Touristen-Spots: eine gute sanitäre Infrastruktur. Ich verlasse den Neanderlandsteig an dieser Stelle und gehe nach links die Teerstraße am See entlang. Ich will diesen Abschnitt schnell hinter mich bringen. Denn mir ist das einfach zu voll, auch wenn der See in der Sonne wirklich sehr schön aussieht. Trotzdem verschiebe ich meine Pause auf später. Es wäre auch keine Bank freigewesen.


Sobald ich mich vom Unterbacher See entferne und wieder im Wald bin, wird es sukkessive ruhiger. Mir knurrt der Magen, da kommt mir der Rastplatz nach etwa 700 m gerade recht. Im Schatten lasse ich mir meinen Quinoa-Salat und zum Nachtisch Aprikosen schmecken.
Nach meiner Pause ausgeruht und angefüllt mit neuer Energie geht es weiter durch den Wald auf Vennhausen zu. Allerdings könnte ich schreien und am liebsten wegrennen. Die Mücken sind wieder da und ich kann gar nicht so schnell um mich schlagen, wie diese Viecher zustechen. Ich hoffe, ich komme hier bald raus. Aber tatsächlich komme ich gar nicht nach Vennhausen rein und aus dem Wald raus, wie ich gedacht habe, sondern bleibe parallel zu den Häusern im Wald und so den Mücken erhalten.
Wieder überquere ich die Rothenbergstraße, dahinter geht es steil den Hang hoch. Während ich mich schwitzend die Steigung hochkämpfe, bin ich Freiwild für meine fliegenden Verfolger. Oben angekommen brülle ich mittlerweile vor Schmerzen. Die Tränen laufen über meine Wangen. Ich will nur noch, dass die Mistviecher mich in Ruhe lasse. Beide Ellenbogen sind dick angeschwollen, meine Arme, mein Nacken, meine Schulterblätter, alles tut einfach nur noch weh. Die Kniekehlen kann ich kaum noch knicken, so dick sind die Stiche angeschwollen. Hier juckt nichts, es gut einfach nur höllisch weg.
Am Ende des Tages wird Jule bei 30 Stichen aufgehört haben zu zählen. Meine Ellenbogen werden so dick sein, wie bei einer Schleimbeutelentzündung. Meine Hausärztin wird mir am Montag eine hohe Dosis Cortison-Tabletten verschreiben und mich vorsorglich gegen Tetanus impfen. Selbst nach einer Woche wird man die schlimmsten Stiche noch sehen können.
Doch davon weiß ich gerade noch nichts. Stattdessen erwartet mich nach der Steigung das nächste Problem. Mein Track will mich einen Weg führen, wo keiner ist. Ich kann zwar durch eine Schneiße nach unten auf Gerresheim gucken, runter komme ich hier aber nicht. Nachdem ich ein bisschen im Kreis gelaufen bin, entscheide ich mich für einen Trampelpfad im Wald, der mich in die richtige Richtung bringt. Als ich am Waldrand wieder auf meinem Track auftauche, will ich einfach nur schnell laufen, um meinen schmerzenden Körper zu vergessen. Auf einer Bank versuche ich es unter Tränen nochmals mit dem Stichheiler. Doch der tut nichts. Immerhin habe ich Schmerztabletten immer an Bord, von denen ich heute gleich zwei einnehme. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen.
Allerdings merke ich, dass ich meine Abzweigung nach Gerresheim verpasst habe. Ich muss einen halben Kilometer zurück. Dass ich die Abzweigung übersehen habe, ist kein Wunder. Der Weg über die Wiese ist im Moment nicht erkennbar, denn ein Bauer ist gerade dabei zu mähen und das ganze abgemähte Gras verdeckt den Pfad. So stampfe ich einfach über die Weise und auf die Bahnlinie zu, die ich durch einen kleinen Tunnel unterqueren soll. Aber es scheint seit der Pause nicht mehr meine Wanderung zu sein. Erst die Mückenangriffe, dann der ungenaue Track, die verpasste Abzweigung und jetzt steht die Unterführung knietief unter Wasser! Von weitem hatte ich das für einen kleinen Teich gehalten. Hier komme ich nicht durch, denn meine Schwimmflügel habe ich nicht dabei. Aber weiter vorn hatte ein Türchen im Zaun gesehen. Ich werde die Gleise wohl so überqueren müssen. Und tatsächlich ist auf dieser Seite des Zauns, der die Gleise abtrennt, ein Türchen und eine Treppe. Jetzt also gut gucken. Es kommt kein Zug. Schnell rüber. Und zack, ich lande in den Büschen und Brombeeren auf der anderen Seite und stehe vor dreireihigem Stacheldraht. Kein Türchen. Aber auch zum Glück kein heranrollender Zug. Also Rucksack aus und rüberschmeißen. Stöcke in Position bringen und vorsichtig durch den Stacheldraht klettern. Bloß nicht noch mehr Schaden auf meiner Haut. Die Stiche reichen völlig.
So viel Abenteuer wollte ich heute nicht erleben. Mir reicht’s jetzt! Ich will nur noch zurück zum Auto! Energisch gehe ich über den Feldweg und stehe nach 250 m vor dem nächsten Hindernis. Der Weg, der mich Gerresheim bringen soll, ist Teil einer Pferdeweide, die mit einem Gatter gesichert ist. Super! Sonst noch was?

Also, wieder ein Stück zurück und links rum. Ein paar Minuten später stehe ich auf dem Pferdehof. Privatbesitz! Es wird immer besser. Zum Glück hat eine Reiterin, die gerade ein Pferd putzt, kein Problem mit mir, sondern erklärt mir gelassen, wie ich zur Straße komme. Als ich die erreiche, bin ich auch wieder auf meinem Track. Ich kann durchatmen.
Und jetzt beginnt nochmals ein sehr schöner Teil der Wanderung, den ich genießen möchte. Nachdem ich ein paar Häuser von Gerresheim gestreift habe, geht es nämlich wieder in den Wald und dann die nächste Zeit am Gerresheimer Friedhof entlang. Im Februar bin ich diesen Weg abgestiegen, heute muss ich aufsteigen. Aber der Weg ist ein schöner Waldweg und es ist ruhig hier.

Um dem Wanderpfad zu folgen, muss man hier den Friefhof kurz betreten. Man überquert die Straße, durch den Friedhof führt. An der Hütte hier habe ich im Februar Pause gemacht. Ein kleines Tor entlässt einen aber sofort wieder auf einen schmalen Trampelpfad. Hier verliert man definitiv das Gefühl, man sei mitten in Düsseldorf. Und doch ist es so. Das merke ich aber erst wieder hinter der nächsten Biegung.

Dass es hier doch Spuren menschlicher Besiedlung gibt, sehe ich, als ich durch ein kleines Maisfeld gehe, das sich am Rand des Friedhofs befindet. Das war im Februar natürlich nicht da gewesen. Als ich aus dem Maisfeld komme, kann ich den Funkturm sehen und weiß, dass ich meine Wanderung bald geschafft habe. Allerdings bin ich nun wieder auf Feldwegen unterwegs und die Sonne brennt.

Als mein Weg nach rechts bergab abknickt, kann ich von weitem den Bauernhof mit dem großen Teich sehen, auf den ich heute morgen zugelaufen bin. Jetzt ist nicht mehr weit. Am Fuß des Hügels treffe ich auf eine Flussaue, an der ich durch eine Allee mit Kopfweiden zurück in den Wald schreite. Mit so einem schönen Highlight hatte ich nicht mehr gerechnet. Es versöhnt mich mit der Strecke und den Hindernissen.
Im Wald geht es jetzt bergauf, aber das ist auch kein Wunder, schließlich liegt der Wanderparkplatz oben am Hang. Der Waldweg schlängelt sich aber moderat nach oben, so dass ich nur ein wenig ins Schwitzen komme. Ich muss noch eine kleine Steigung gewältigen, denn der Weg führt mich nicht in gerade Linie zum Wanderparkplatz zurück, sondern macht nochmals einen Bogen durch den Wald. Ein letztes Stück zum Genießen, denn mittlerweile wirken auch die Schmerztabletten. Als ich dann hinter der Infomationstafel zum Rotthäuser Bachtal aus dem Wald komme, ist der Parkplatz voll bis zum Anschlag. Nur gut, dass ich heute recht früh unterwegs war. Mein Auto steht zwar mittlerweile in der prallen Sonne. Aber da ich völlig verschwitzt bin, kommt es darauf nicht an. Ich verschnaufe und rekapituliere: Es war eine sehr schöne Wanderung – wenn man mal von Umleitungen, Hangabrutschen und von 30 Mückenstichen einmal absieht. Ein bisschen Abenteuer gehört halt doch auf jeder Wanderung dazu, oder?
Zusammenfassung
- Gelaufen am: Sonntag, 05.09.2021
- Länge laut GPS: 19,7 km
- Geschätzte Höhenmeter: 782 Hm (Aufstieg 391 Hm, Abstieg 391 Hm)
- reine Gehzeit: 5:13 h
- gesamte Dauer: 4:40 h
- Charakteristik: Eine empfehlenswerte Rundwanderung durch schöne Landschaften. Abwechslungsreich mit Wald, Feld und dem Unterbacher See. Allerdings sollte man sich nicht sklavischen an den Track halten, sondern mit Sinn und Verstand laufen, gerade wegen der Unwetterschäden. Die Überquerung der Bahnlinie auf meine Art und Weise kann ich niemanden empfehlen. Daher sollte man sich – falls möglich – vorab informieren, ob die Unterführung passierbar ist.