Wandern auf dem Wildnis-Trail – Etappe 4

21.10.2021

Urlaub allein

Ich weiß gar nicht mehr genau, wie es dazu kam, dass ich mir den Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel ausgeguckt hatte. Jedenfalls war ich im Oktober vier Tage allein in der Eifel unterwegs.

Der Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel

Der Wildnis-Trail führt in vier Etappen 85 km durch den Nationalpark Eifel von Monschau-Höfen, über Einruhr, Gemünd, Heimbach nach Zerkall. Wanderzeichen ist das Gesicht einer Wildkatze, das man auf den Wegweisern findet. Der höchste Punkt, den Wanderparkplatz Wahlerscheid mit 625 hm NN, wird bereits am ersten Tag erreicht. Weitere Höhepunkte sind die Wüstung Wollseifen, die ehemalige Ordensburg Vogelsang, der Rursee und die Urfttalsperre, die Abtei Mariawald, Heimbach mit seiner Burg Hengebach und der Hetzinger Wald.

Die vierte Etappe

Die letzte Etappe ist die kürzeste. Sie hat etwa 17,5 km. Allerdings bin ich bereits davon etwa 1,5 km gelaufen, da mein Hotel sich in Hasenfeld, einem Ortsteil von Heimbach, befindet. Heute geht es hauptsächlich durch den Hetzinger Wald. Mit insgesamt 1.079 Hm sollte das in 5 Stunden gut zu schaffen sein. Der Weg führt nach Zerkall, dem Schlusspunkt des Wildnistrails, wo ich einen Zug zurück nach Heimbach kriegen muss. Von dort bringt mich der Trail-Express zurück zu meinem Auto nach Monschau-Höfen. Damit alles klappt, muss ich um 14:51 Uhr in Zerkall am Bahnsteig stehen. Um Puffer zu haben, werde ich auch an meinem letzten Wandertag früh los.

Ein Sturm zieht durch

Mein Tag beginnt sehr früh. Es ist noch keine 4 Uhr morgens, aber ich habe sehr stark geschwitzt und bin aufgewacht. Jetzt friere ich und hole mir eine weitere Decke, weil die Zudecke feucht ist. Von draußen höre ich, dass die Straße nass sein muss. Die wenigen Autos, die um diese Uhrzeit vorbeifahren, hören sich entsprechend an. Als ich aus dem Fenster schaue, stelle ich fest, dass nicht nur der angekündigte Regen gekommen ist. Draußen tobt ein ziemliches Unwetter. Es ist sehr windig. Der Regen peitscht unter dem Licht der Straßenlampen in Wellen fast waagerecht über die Straße. Aber wahrscheinlich ist das bis nachher vorbei, denke ich in meiner Naivität und lege mich wieder hin.

Dass an diesem heutigen Tag der erste Orkan der Herbst/Winter-Saison über NRW hinwegfegt, konnte ich in meinem verschlafenen Zustand nicht ahnen. Drei Stunden Schlaf und eine Katzenwäsche später sitze ich pünktlich um 8:00 Uhr am Frühstückstisch. Ich bin einer der ersten Wanderer. Kurz nach mir trifft die Hundefrau von gestern ein. Während ich meine Brötchen esse, beäuge ich kritisch die Wettervorhersage auf meinem Handy. Da wird mir eine Unwetterwarnung Stufe 3 angezeigt. Orkanböen sind möglich. Die Warnung wurde bis 11 Uhr ausgegeben.

Für mich spricht nichts dagegen, meine Wanderung fortzusetzen. Ich werde die ersten zwei Stunden die Zähne zusammenbeißen und mich durch Regen und Wind zu kämpfen wissen und danach einen schönen Wandertag zu genießen. Meine Tischnachbarin ist aber verunsichert. Sie überlegt abzubrechen und den Tag in Heimbach zu verbringen und dann mit dem Trail-Express zurückzufahren. Nachdem ich jedoch meine Bereitschaft zum Aufbruch signalisiert habe, will auch sie los.

Wir beide werden erst am Ende unseres Wandertages erfahren, dass der Nationalpark um kurz nach 9:00 Uhr alle Wanderwege für drei Tage sperren wird und auf seiner Homepage auf die lebensgefährliche Wetterlage aufmerksam macht.

Aufbruch ins Unwetter

Ohne dies zu ahnen, packe ich mich ordentlich in Regenklamotten ein. Dieses Mal ziehe ich gleich die Regenhose an. Bei einem solchen Wetter hat der Regenrock einfach keinen Zweck. Komplett eingepackt in Regenklamotten, Handschuhe, hochgeschlagener Kapuze und Maske vor Mund und Nase, checke ich kurz vor 9 Uhr aus meinem Hotel aus. Draußen ist es ziemlich umgemütlich. Es schüttet und weht. Aber ich liebe es, den Elementen ausgesetzt zu sein.

Zunächst gehe ich die Hauptstraße von Hasenfeld entlang und steige durch ein Wohngebiet ein Stückchen auf bis ich wieder auf den Wildnistrail treffe. Kurzzeitig werde ich von einer Böe vom Bürgersteig auf die Straße geweht. Aus dem Wohngebiet geht es einen kurzen, aber steilen Ansteig auf einem rutschigem Trampelpfad hinaus und dann bin ich im Wald. Die Geocacher hatten mir bereits angekündigt, dass es heute eine eher langweilige Etappe ohne größere Höhepunkte, aber auch ohne steile Anstiege, ansteht. Die Wege sollen alle Forstwege sein, breit ausgebaut, meist geschottert. Das kommt mir heute sehr entgegen. Schotter und Regen verträgt sich gut und geringe Anstiege passen zu meinem Outfit. Wenn es steil wird, schwitzt man sich in Regenkleidung schnell zu Tode. Dann ist man innen nasser als außen.

Jetzt im Wald lässt der Sturm merklich nach. Die Böen sind kaum noch spüren und der Regen wird durch die Blätter abgebremst. Heute liegen relative Geocaches auf meinem Weg. Außerdem möchte ich den letzten Teil des Wandermultis absolvieren. Cachen bei Regen ist immer nicht so einfach. Auch möchte ich vermeiden, dass mein Zettel mit den Bildern völlig durchnässt wird. Trotzdem schlage ich mich gleich zu Beginn ziemlich gut. Ich finde alle Stationen und auch drei Dosen kreuzen meinen Weg, die ich problemlos finde und loggen kann.

Über eine breite Schneise laufe ich geradeaus durch den Wald, als nach etwa einer halben Stunde der Regen nachlässt. Links und rechts präsentieren sich die Bäumen in allen Farben, die die Natur zu bieten hat.

Nach einer Stunde kann ich sogar die Kapuze herunterziehen kann. Ich schaue in den Himmel und sehe tatsächlich einen Regenbogen. Das nehme ich als Zeichen, dass meine Entscheidung richtig war. Außerdem nehme ich jetzt auch den Weg erst richtig wahr. Wenn ich komplett eingepackt bin, bin ich eher bei mir selbst und weniger bei meiner Umgebung.

Trotz der Witterung habe ich 3,7 km zurückgelegt. Ich komme sehr gut voran und liege perfekt in der Zeit. Wenn ich weiter so durchkomme, kann ich einen Zug früher nehmen und noch in dem Café gegenüber des Nationalpark-Tors in Heimbach einkehren.

Durch den Hetzinger Wald

Hinter der Siedlung Schneidbaum, die ich von weitem sehen kann, wird der Wald etwas wilder. Ich komme wohl nun in den Hetzinger Wald. Allerdings habe ich heute morgen zu viel Tee getrunken. Meine Blase drückt. Die Frau mit dem Hund hatte mir bereits gestern versprochen, dass heute am Weg endlich mal ein paar Wanderhütten auftauchen würden. Und tatsächlich sehe ich bald den ersten Holzpilz am Wegesrand. Es ist keine richtige Wanderhütte, sondern mehr ein hölzerner Regenschirm mit einer kleinen, umlaufenden Bank darunter.

Es hat mittlerweile fast aufgehört zu regnen und der Wind ist auch nicht gravierend. An diesem Holzpilz kann ich mich also ausziehen und mein kleines Geschäft erledigen. Aber es ist so typisch: Während ich die Hose gerade wieder hochziehe, taucht die Hundefrau auf. Sie ist nur fünf Minuten hinter mir los gelaufen und hat mich jetzt eingeholt. Das lag nicht an meiner scheinbar geringen Gehgeschwindigkeit, sondern an meiner Geocache-Bummelei. Nachdem wir uns kurz begrüßt haben, mache ich mich wieder auf den Weg. Sie entscheidet sich noch ein Moment zu verweilen. Für sie gibt es einen Müsliriegel, für den Hund eine Schale Wasser und ein paar Hundekekse.

Der nächste Abschnitt verläuft recht ereignislos. Es geht erst leicht bergab, dann fast kontinuierlich geradeaus. Nach vier Kilometern treffe ich auf einen kleinen, namenlosen Bach, der bergab zu einem ebenso kleinen Waldteich fließt. Am Teich habe ich über 10 km zurückgelegt und die letzte Stunde ist wie im Flug vergangen. Nachdem ich hier einen Geocache loggen kann, hat mich meine Verfolgerin wieder überholt. Kurz hinter dem Teich treffe ich auf ein Hindernis. Schon mehrmals habe ich heute wieder die Schilder gesehen, die vor gefährlichen Wegabschnitten warnen. Links des Weges stehen abgestorbene Fichten. Abzüglich der zwei Fichten, die quer über dem Weg liegen. Hier durchzukommen ist nicht gerade einfach, aber noch habe ich meine Regenhose an, da bin ich nicht so empfindlich und rutsche irgendwie über die Stämme. Das war nur erste von vielen weiteren Baummanövern, die heute noch anstehen sollten. Das nächste folgt nur wenige Meter später.

Der Weg geht stetig, aber nicht steil bergab. Ich weiß nicht mehr, wie viele Bäume ich überklettern oder umgehen muss. Ein paar waren es aber sicher. Irgendwann habe ich die Hundefrau wieder eingeholt und setze mich an die Spitze. Am tiefsten Punkt steht ein weiterer Wanderpilz, wo ich es mir zu meiner Mittagspause gemütlich mache. Frau und Hund treffen nur kurz nach mir ein. Gemeinsam verzehren wir unsere Brötchen, die wir beim Frühstück mitnehmen durften. Inzwischen habe ich die Regenjacke geöffnet. Es hat vollständig aufgehört zu regnen. Wenn noch was von oben kommt, dann ist der Regen, der vom Wind von den Blätter geschüttelt wird. Die Stelle ist toll gelegen für eine Pause. Hier im Tal vereinigen sich die zwei Bäche zum Schliebachtal, welches wildromantisch ist.

Der Wildnistrail folgt nicht ins Tal hinein, sondern steigt an einer feuchten Wiese, auf der Kühe grasen, wieder bergauf raus au dem Tal. Trotzdem – es ist ein wunderschönes Abschnitt. Rechts der Wald, links die offene Fläche. Fotos gibt es heute nur wenige. Das war bei der Witterung nicht so einfach. Wenn ihr den Abschnitt sehen wollt, müsst ihr die vierte Etappe selbst laufen. Etwa in der Hälfte des Aufstiegs trifft der Wildnistrail auf eine richtige Wanderhütte. Autos ist der Weg durch eine Schranke versperrt. Passenderweise ist hier eine junge Buche abgeknickt, unter der man jedoch mit eingezogenem Kopf durchgehen kann.

Noch kann über diese kleinen Hindernisse lachen. Mir ist absolut nicht klar, dass es sich um ganz frische Sturmschäden handelt. Die Bäumen können erst wenige Stunden da liegen. Aber in meinem Kopf gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Sturm von heute morgen und den Bäumen.

An der Hütte befindet sich die letzte Station von meinem Wandermulti. Hier kann ich windgeschützt die Zahlen zusammensetzen, auch wenn meine Unterlagen heute etwas gelitten haben. Zwar konnte ich zwei Bilder nicht 100%ig zuordnen, aber zum Glück sind gerade diese Zahlen nicht entscheidend. Ich werde meine Dose also hoffenltich finden. Das heißt auch, weit kann bis nach Zerkall nicht mehr sein. Ich liege sehr gut in der Zeit. Vermutlich werde ich den Zug um 13:51 Uhr statt 14:51 Uhr nehmen und mir einen Belohnungskuchen in Heimbach gönnen können.

Als ich den Aufstieg am Schlehbach fortsetze, kommt die Sonne raus. Stets ins Sichtweite haben nun Hund und Frau die Führung unserer kleinen Wandergruppe die Führung übernommen. Als wir aus dem landschaftlichen pittoresken Tal herauskommen, übernimmt kurzfristig kein sehr schöner Streckenabschnitt. Zunächst windet sich der Wildnistrail in Sepentinen auf einer Teerstraße hinaus, dann geht es über freies Feld geradeaus weiter. Wolfskaul lasse ich aber links liegen. Am letzten „Höhe“punkt des heutigen Tages angekommen, zieht es prompt wieder. Hier oben auf dem Feld, parallel zur Landstraße, sind wir drei Wanderer dem Wind voll ausgesetzt, so dass ich die Kapuze als Ohrenschutz wieder hochziehe.

Hürdenlauf zum Ziel

Angeblich kommt hinter der Querung der Landstraße der schönste Abschnitt der heutigen Etappe. Tatsächlich geht es der Wildnistrail hinter der Wandertafel in einen kleinen Trampelpfad über. Es geht sanft bergab.

Nach einem Kilometer nähere ich mit den Final-Koordinaten, auch wenn sie etwas mit Unsicherheit behaftet sind. Der Platz hier ist einfach so perfekt. Das Ding muss sie hier irgendwo in der Nähe liegen. Und tatsächlich, nachdem ich mich etwas umgesehen habe, habe ich das Final schnell gefunden. Ich kann in Ruhe loggen, denn hier gibt es eine Bank, wo man sich hinsetzen kann. Am Ende gibt es noch einen Bonus-Cache, dessen Koordinaten überprüfe ich an dieser Stelle noch einmal. Weder bis zum Bonus noch zum Endpunkt des Wildnistrail ist es weit. Den früheren Zug sollte ich gut schaffen können.

Kurz hinter der Bank sehe ich wieder ein Schild, dass auf eine besonders gefährliche Wegstrecke hinweist. Weniger Meter hinter dem Hinweis kommt die nächste Kletterei. Doch während die letzten Hindernisse alle auf breiten und meist flachen Wege lagen, befinde ich mich jetzt auf einem schmalen, rutschigen und teilweise steilen Trampelpfad. Meine Kletteraktionen werden daher deutlich mühseliger. Leider muss ich wenige Meter später um eine Tanne klettern, dann kommt die nächste Wegblockade.

Hier ist nicht nur ein Baum umgefallen, sondern gleich mehrere. Man kommt schlecht drumrum und drüber aber schon erst recht nicht. Also bahne ich mir irgendwie einen Weg durch die Büsche und nachdem ich das geschafft habe, atme ich einmal tief durch. Bin ich froh, dass ich die Regenhose noch an habe. Die hält im Moment das Schlimmste ab, allerdings ist sie vom vielen „Über-Bäume-klettern“ schon ganz grün und auch sonst völlig verdreckt. Der Weg kennt keine Erholung. Es geht sofort mit der nächsten Kletterpartie weiter.

Der nächste Baum… das nächste Hindernis… Dieses Mal will ich über die Fichte steigen. Allerdings ist diese so rutschig, dass es mich auf den Rücken haut. Ich liege wie ein toter Käfer in den Brombeeren auf meinem Rucksack. Viel passiert ist nicht. Nur liege ich auch auf meinen Wanderstöcken, was ich für mich nicht nur unangenehm ist, ich weiß im Moment gerade gar nicht, wie ich mich aus der Situation befreien soll. Erstmal versuche ich den Knoten aus Beinen und Stöcken zu lösen. Nachdem ich den ersten Stock unter mir raushabe, hilft alles nichts. Ich muss mich irgendwie hochziehen und das einzige, was sich dafür eignet, sind leider die Ranken der Brombeeren. So schramme ich mir ordentlich die Hände auf, schaffe es aber irgendwann doch wieder auf die Beine zu kommen. Direkt neben der Stelle, wo ich gelandet bin, steht der abgebrochene Stumpf des Baums. Senkrecht in die Höhe erheben sich spitze Holzfasern. Ich habe Glück gehabt, dass ich daneben gefallen bin und nicht da drauf. Das hätte ins Auge gehen können. So langsam verstehe ich, dass ich hier in einem Abschnitt bin, der nicht ohne ist. Meine Hände bluten zwar, aber ich will nur noch hier raus. Um die Schrammen kann ich mich kümmern, wenn ich in Zerkall bin.

Der nächste Baum… das nächste Hindernis… Das ist der Moment, wo ich dem ganzen langsam überdrüssig werde. Ich denke:

„Toll, dass hier Schilder aufgestellt werden, aber kann man diese Bäume dann nicht mal wegräumen? Wenn das jetzt die Wildnis sein soll, bitte. Aber wenn das hier Wanderwege sein sollen, dann will ich zukünftig nicht mehr wandern gehen. Erst bekomme ich viele Informationen wegen Umleitungen, weil da ein Erdrutsch ist oder eine Brücke fehlt. Aber wenn hier ein halber Wald auf dem Weg liegt, dann wird nicht gesperrt oder umgeleitet!“

Ich bin kaputt. Ich bin müde und dreckig. Mir tun die Hände und die Seite weh, auf die ich gefallen bin. Ich bin richtig sauer, auf die Nationalparkverwaltung, auf den Veranstalter, auf den Wildnistrail, auf meine eigene Erschöpfung. Noch immer ist der Groschen nicht gefallen. Die Bäume liegen da seit ein paar Stunden, nicht seit Tagen oder Wochen. Der einzige, auf den ich gerade sauer sein müsste, müsste ich selbst sein, dass ich so den Sturm und seine Auswirkung so falsch eingeschätzt habe. Denn eigentlich ist der Wegabschnitt wirklich der schönste des Tages.

Endlich erreiche ich das Ende des Trampelpfads und damit auch wieder eine Forststraße. Hier liegt noch der Bonus von meinem Geocache, den ich problemlos finde und logge. Ich habe auch kurz Gelegenheit, meine Wunden zu lecken. Doch bevor ich in Ruhe den Wildnistrail zu Ende laufen kann, muss mir noch ein letzter Baum in den Weg springen. Dieses Mal liegt die Fichte statt quer längs über dem Weg, so dass man irgendwie durch die Äste klettern muss. Aber jetzt ist nur noch ein Kilometer. Um meinen Ärger perfekt zu machen, weicht die Beschilderung mal wieder vom GPS-Track ab. Aber ich laufe jetzt einfach stumpf den Schildern nach. Wenn es sich dabei wieder um eine „leichte Wegstrecke“ handelt, will ich mich in dieser Situation wahrlich nicht beschweren.

Pünktlich zum Eintreffen am Nationalpark-Tor fallen wieder ein paar Regentropfen. Direkt davor liegt bereits ein erschöpfter Hund. Die Hundedame sitzt drin bei einem Kaffee. Sofort berichte ich der Mitarbeiterin, was da draußen im Nationalpark los ist. Sie lässt sich von mir die Strecke mit den vielen umgefallenen Bäumen zeigen und verspricht sich drum zu kümmern. Neben der Hundefrau und mir sollen noch zwei weitere Frauen auf dem Weg unterwegs sein. Wir haben sie nicht gesehen und eingetroffen sind sie auch noch nicht. Die Dame ist besorgt, denn sie weiß, dass im Nationalpark Lebensgefahr ausgerufen wurde.

Wegen dieser ganzen „Unannehmlichkeiten“ ist der erste Zug weg. Also habe ich fast eine Stunde Zeit. Jetzt kann ich hier erstmal die Toilette benutzen, meine Hände säubern und mit Desinfektionsspray großzügig einnebeln. Die Wunden sind nicht schlimm, nur Kratzer, haben aber teilweise haben sie ziemlich geblutet. Erst später werde ich feststellen, dass ich auch einige blaue Flecken an den Schultern abbekommen habe. Rechtzeitig bevor der Zug kommt, begebe ich mich über die Brück zum Bahnhof und nehme schon mal Abschied vom Nationalpark Eifel.

Meine Mitwanderin und ihr Hund sitzen schon im Wartehäuschen. Eine Viertelstunde haben wir noch. Während wie drei dasitzen, fängt es wieder richtig an zu schütten. Aber meine Bahn-App sagt mir, dass der Zug pünktlich sein wird. Wir werden also rechtzeitig in Heimbach eintreffen. Wir sind ins Gespräch, so dass wir gar nicht merken, dass der Zug nicht kommt. Die App sagt immer noch, dass dieser pünktlich ist und und nach 20 Minuten Wartezeit sind wir hochgradig nervös. Da ich Angst habe, dass, wenn ich rüber zum Nationalpark-Tor laufe, genau in diesem Moment der Zug kommt, rufe ich die Dame an. Sie verspricht sich zu kümmern und nachzufragen, ob in Heimbach der Zug bereits eingetroffen ist. Während wir draußen im Regen frieren, kommt mit 35 Minuten Verspätung der Zug. Klamm und kalt sitzen wir im Zug. Trotz der Verspätung müssten wir es rechtzeitig zu unserem Taxi schaffen. Außerdem wissen die in Heimbach ja, dass wir unterwegs sind.

Als wir endlich in Heimbach eintreffen, schüttet es mittlerweile wie mit Eimern, so dass wir uns schnell ins Nationalpark-Tor flüchten. Dort werden wir bereits erwartet und in Empfang genommen. Jetzt erfahren wir, wie gefährlich unsere heutige Wanderung eigentlich war. Die Dame hier erzählt uns, dass der Nationalpark und der Wildnistrail für die nächsten drei Tage gesperrt ist. Erst jetzt dämmert ganz, ganz langsam die Erkenntnis, dass diese ganzen umgestürzten Bäume tatsächlich erst seit heute Nacht dort liegen und ich hätte jederzeit von weiteren erschlagen werden können. Auch hier muss ich den Abschnitt auf der Karte nochmals zeigen. Wenn die Sperrung des Nationalparks aufgehoben ist, werden Ranger den Weg ablaufen und vermutlich sperren und eine Umleitung einrichten.

All diejenigen, die eine oder mehr Etappen hinter mir mit dem Wildnistrail begonnen haben, werden ihn wohl nicht zu Ende laufen können. Das gilt zum Glück auch für die beiden Frauen, die noch in Zerkall erwartet wurden. Hier in Heimbach weiß man Bescheid. Die zwei nicht gar nicht erst losgelaufen. Sie sind rechtzeitig gewarnt worden. Man hatte sie beim Verlassen des Hotels an der Rezeption abgefangen. Die Hundefrau und ich waren heute morgen einfach zu schnell. Wir waren bereits kurz vor 9 Uhr unterwegs. Die offizielle Sperrung des Nationalparks auf der Homepage kam wohl gegen 9:15 Uhr und gegen 9:30 Uhr hat man die anderen Wanderinnen abgefangen.

Die beiden, die ich bereits in Gemünd im Hotel gesehen habe, kommen aus dem Café gegenüber, wo ich eigentlich Kuchen essen wollte, als der Trail-Express überpünktlich vorfährt. Ich hätte zwar gern noch etwas gegessen, aber dazu bleibt keine Zeit. Wir vier besteigen den Kleinbus und sind damit auf dem Rückweg nach Monschau-Höfen. Die ganze Fahrt über tauschen wir uns über den Weg und natürlich über den heutigen Tag aus. Dabei stellen wir fest, dass wir eigentlich alle relativ dicht beieinander wohnen. Die Frau mit Hund ist aus Wuppertal und wohnt jetzt in Hagen. Die beiden Frauen sind Mutter und Tochter und kommen aus Velbert. Sie erzählen uns, dass sie den ganzen Tag irgendwie in Heimbach umgebracht haben. Unsere Fahrerin erzählt uns, was in NRW alles passiert ist. Der Zugverkehr wurde teilweise eingestellt, Autobahnen sind gesperrt, überall sind Bäume umgeknickt, die Feuerwehr ist im Dauereinsatz. Und ich bin mal eben durch den Nationalpark Eifel gewandert. Jetzt reift die Erkenntnis, wie gefährlich das ganze war. Meine Güte, war ich naiv. Außer ein paar tiefen Kratzern auf meinen Händen ist zum Glück nichts passiert. Aber nächstes Mal sollte ich eine Unwetterwarnung ernst nehmen.

Zusammenfassung

  • Gelaufen am: Donnerstag, 21.10.2021
  • Länge laut GPS: 26,4 km (mit Umwegen)
  • Geschätzte Höhenmeter: 1.141 Hm (Aufstieg 493 Hm, Abstieg 648 Hm)
  • reine Gehzeit: 4:25 h
  • gesamte Dauer: 5:22 h
  • Charakteristik: Eigentlich die entspannteste Etappe des Wildnistrails. Meist geht es durch den Wald. Die Wege sind gut ausgebaut und meist geschottert. Wenige Trampelpfade würzen die Etappe. Schöne Wegabschnitte sind der Weg das Schliebachtal hinaus und vermutlich die letzten 3 km nach Zerkall, wenn dort keine Bäume liegen.

Das große Fazit

Der Nationalpark Eifel ist im Herbst sehr schön. Wenn die Blätter bunt werden und bei jedem Schritt das Laub unter meinen Füßen raschelt, fühle ich mich wohl. Die Buchung der Wanderpauschale hat hervorragend funktioniert. Meine Hotels waren spitze.

Allerdings finde ich persönlich den Namen „Wildnis-Trail“ irreführend. Ich persönlich hatte mir unter „Wildnis“ etwas anderes vorgestellt. Ich hatte mit vielen kleinen und schwierigen Trampelpfaden gerechnet. Kletterei über Felsen, Wurzeln… Aber der Wildnistrail ist hervorragend ausgebaucht. Es gibt nicht eine schwierige Passage. Weder Schwindelfreiheit noch Trittsicherheit ist wirklich erforderlich. Außerdem gibt es sogar alternative Wegstrecken, wenn man bestimmte Aufstiege vermeiden will. Damit eignet sich die Wanderung wirklich für jeden, der sich die Etappenlängen zutraut. Der Aspekt „Wildnis“ kommt also nicht über Wegführung, sondern über die vielfältigen Schilder, die man am Wegesrand findet. Hier wird erklärt, wie sich im Nationalpark in den kommenden Jahrzehnten eine echte Wildnis entwickeln soll und wird. Dieses Konzept spiegelt sich auch in dem Wanderführer wieder. Der Wanderführer „Der Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel – ThemenTouren Nationalpark Eifel“, erschienen im Verlag J.P. Bachem Editionen, bietet ausführliche Informationen zu allen Aspekten des Nationalparks: Flora und Fauna, aber auch Entwicklungen werden vorgestellt. Ich kann jedem nur raten, den Wanderführer vorher aufmerksam durchzublättern, damit man, wie ich, keine falschen Vorstellung vom Weg bekommt. Daher würde ich persönlich einen anderen Namen zu schätzen wissen, z.B. Nationalpark-Trail.

Trotzdem war es eine sehr schöne Wanderung und ein toller Abschluss für ein großes Wanderjahr.

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