Was lange wärt…

Vor vielleicht vier Jahren brachte Jule von der Messe „TourNatur“ einen Flyer vom Soonwaldsteig mit. Von dem hatte ich noch nie was gehört. Und schon gar nicht, dass man in Deutschland „Trekken“ kann. Das hatte ich bisher nach fleißiger Lektüre der Zeitschrift Outdoor eher nach Skandinavien verortet, aber doch nicht hier, wo Campen im Wald streng verboten ist. Aber genau das sollte auf dem Soonwaldsteig funktionieren?! Ja, allerdings völlig legal in Trekking-Camps, die genau zu diesem Zweck auf dem Weg eingerichtet worden waren.
Aber ich und Trekking? Zelt, Essen und was weiß ich noch auf dem Rücken zu Plätzen tragen, wo es kein Hotel, sondern nur eine Komposttoilette gibt? Ich war davon nicht überzeugt. Doch nachdem wir in Island (mehr dazu lest ihr ab nächster Woche an dieser Stelle) zumindest das mit dem Übernachten im Zelt geübt und Globetrotter eine Rucksack-Aktion mit kräftigen Prozenten hatte, standen wir auf einmal mit zwei Trekkingrucksäcken da. Diesen Ausrüstungsgegenstand hatten wir jetzt schon mal, vieles weiteres hatten wir bereits für unseren Islandtrip gekauft (Kocher, Geschirr, Zelt, Isomatten, bessere Schlafsäcke …). Jetzt gab’s für mich keine Ausrede mehr.
2019 wollten wir es dann wagen. Ich habe sogar extra im Fitnessstudio trainiert. Aber leider waren die Camps lange im Voraus ausgebucht. Also haben wir stattdessen den Harzer Hexenstieg gemacht – mit Hotels und Gepäcktransport. Über 2020 brauchen wir wohl nicht reden. Zwar öffneten die Camps irgendwann wieder, aber sie waren dann sofort ausgebucht. Doch für 2021 nahmen wir uns das fest vor. So fingen wir im Dezember, mitten im Winter, sogar an, regelmäßig zu Joggen.
… wird kompliziert
Ende Januar ging endlich das Buchungsportal für die Trekking-Camps auf. Wie ich mittlerweile erfahren habe, war das nur eine kurze Zeit der Fall. Die Buchungen wurden auf Eis gelegt und erst ab Mai wieder freigeschaltet. Aber ich hatte es geschafft, in unserem möglichen Zeitraum, nämlich um Fronleichnam herum, Camps zu buchen. Die Buchungsbestätigung war bereits nach kurzer Zeit eingegangen. Am 05.06.2021 würden wir die erste Etappe auf dem Soonwaldsteig laufen.
Dann kam die dritte Welle, die Notbremse und die bange Frage, ab wann wo und wie touristische Übernachtungen wieder möglich sein würden.
In der Zwischenzeit setzte ich aber alles daran, um körperlich und mental für einen solchen Tripp fit zu werden. Ich ging allein und teilweise mit Gepäck rund um Düsseldorf wandern. Ich las Bücher übers Weitwandern und über normales und ultraleichtes Trekking. Ich kümmerte mich um Wasseraufbereitung.
Aber auf der Homepage vom Soonwaldsteig tat sich nichts. Ich telefonierte mit den netten Damen der Naheland-Touristik – am Ende wöchentlich. So erfuhr ich von dem rheinland-pfälzischen Stufenplan, von Inzidenzwerten des Landkreises Bad Kreuznach und davon, dass man zwar touristisch übernachten darf, aber nur, wenn man eine eigene Toilette mit sich herumträgt. Das erzählte man mir, als ich bei der Lauschhütte anrief. Dort teilte man mir außerdem mit, dass trotz des Verbots einige Trekker unterwegs waren, die dann halt wild campen würden.
Die letzte Öffnungsstufe sollte am 02.06.2021 freigegeben werden. Damit wären trouristische Übernachtungen in den Camps endlich legal. 3 Tage bevor wir losgehen wollten, würden wir also erst auf der sicheren Seite sein! Doch schon in der Woche davor sah es ziemlicht gut aus. Wir drückten also die Daumen und fingen an, unsere Sachen zu wiegen. Ob es wirklich losgehen würde, würden wir trotzdem frühestens am 31.05. erfahren.
Zwischen klassisch und ultraleicht
Zwei Wochen vor unserem Starttermin wandern wir mit vollen Gepäck eine Etappe des Neanderlandteigs – „zur Probe“. Vorher hatten wir unser Gepäck anhand einer sehr brauchbaren Packliste auf dem Buch „Trekkingträume für Familien : vom Mikroabenteuer zur mehrtägigen Trekkingtour“ von Regina Stockmann aus dem Naturzeit-Reiseverlag zusammengestellt. Die Packliste kann man auf der Verlagsseite herunterladen. Die Buddelhose für Kinder haben wir allerdings sofort gestrichen.


Dann ging es ans Wiegen. Das wichtigste Utensil war jetzt unsere Küchenwaage.
Wir haben wirklich jedes Teil, das wir mitnehmen wollten, zunächst in Wäschekörben gesammelt und dann gewogen.

Als ich allerdings die Werte mit denen aus dem Buch „Ultraleicht auf Tour : Produkte und Packkonzepte für minimales Gewicht“ von Axel Klemm aus dem Pietsch-Verlag verglich, verdrehte ich die Augen. Das ultraleichte Packkonzepte würde mit unserer vorhandener Ausrüstung nicht funktionieren. Allein Jules Rucksack wiegt 2,5 kg, ohne dass etwas darin ist. Unser Zelt mit allem wiegt etwas über 4 kg und nimmt nicht nur im Schrank viel Platz ein. Klemm schlägt bei einem 2-Personen-Zelt ein Gewicht von unter 1,5 kg vor. Da lagen wir 2,5 kg daneben.

Aber egal, es half ja nichts. Das war nun mal das, was wir hatten. Für unsere Probewanderung war jedenfalls alles in den Rucksäcken. Das Gewicht des Essens haben wir mit Säcken mit Vogelsand simuliert. So hatte jeder Rucksack 15 kg. Wie genau die Etappe verlief, könnt ihr hier nachlesen. Die Schlüsse, die wir aus dem Experiment zogen, waren:
- 15 kg Gewicht auf dem Rücken sind tatsächlich zu schaffen.
- Wandern mit Trailrunning-Schuhen (Jules Experiment, Praxis-Bericht folgt…) geht tatsächlich ziemlich gut
- Das Zelt ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Riesenproblem. Es ist zu voluminös und zu schwer.
Wir waren also auf einem guten Weg. Und obwohl wir in dieser Phase immer noch nicht Bescheid wussten, ob wir werden starten dürfen, planten wir für die kommende Woche einen Besuch bei Globetrotter in Köln, um Essen zu kaufen (und vielleicht noch ein paar Kleinigkeiten).
Während ich mich online um einen Termin für unseren Einkauf prügelte, kümmerte sich Jule noch eine weitere Baustelle: das Frühstück mit Milchpulver. Ich glaube, sie hat 3-4 Stunden bei einschlägigen Online-Händlern geschaut, aber am Dienstag war das Paket mit dem Milchpulver da und tatsächlich erleicherte dies unsere Frühstücksituation.
Der Menüplan
Und sind wir mitten bei der Essensfrage. Was nimmt man beim Trekking eigenltich zu essen mit?
Auch hier geben einem natürlich Bücher Aufschluss. Christine Thürmer verweist in ihrem Buch „Weite Wege wandern“ u.a. auf das Prinzip „See Food“. Wenn du Essen sieht, dann iss es. Prinzipiell eine gute Idee, allerdings wussten wir, dass es bereits ab Kirn eigentlich keine Einkaufsgelegenheit bzw. Gaststätte mehr geben würde. Nur auf der letzten Etappe gab es in der Nähe vom Endpunkt Bingen Ausflugslokale. Also würden wir uns für 4x Frühstück und 4x Hauptmahlzeit komplett selbst versorgen müssen.
Was die Hauptmahlzeit angeht, hatten wir bereits auf Island gute Erfahrungen mit fertigem Trekkingessen gesammelt. Da wollten wir gern wieder darauf zurückgreifen. Wir mussten es nur noch einkaufen. Das war unsere eigentliche Ausrede, um noch nach Köln zu Globetrotter zu fahren.
Fürs Frühstück haben wir uns für Müsli/Haferflock/Overnight Oats entschieden. Dazu brauchten wir eben das oben erwähnte Milchpulver.
Als Snacks hatten wir Trockenobst, Würstchen und Energie-Riegel eingeplant.
Alle Bücher sagen, dass man das Essen genau auf den Tagesbedarf hin abwiegen soll. Leider hatten wir keine so richtige Ahnung, wie groß unser Tagesbedarf sein würde. Also habe ich einfach meine normale Müsli-Schale genommen und diese 4x vollgemacht, Kakaopulver dazu, alles in einem Ziplock-Beutel, Milchpulver abgewogen, fertig.
Ähnlich bin ich beim Trockenobst vorgegangen. Ich hab einfach das Zeug in einen Beutel geschaufelt und das beste gehofft. Jule wollte eigentlich für jeden Tag zwei Energieriegel. Ich habe nur 6 Stück pro Person gekauft. Es waren fünf Wandertage, also pro Tag einen und einen in Reserve. Für den ersten Tag hatten wir außerdem gelegte Brötchen eingeplant, die wir in Bingen frisch holen wollten. Für den Komfort braucht es in Jules Fall noch Kaffee und für mich Zitronenteepulver. Das alles plus den Kocher und Brennstoff ging bei mir sehr gut ins Bodenfach meines Rucksacks. Da war sogar noch Platz für die Isomatte.


Das Problem der Trinkwasserversorgung hatten wir bereits vor ein paar Monaten gelöst. Denn wir wussten, dass auch kein Trinkwasser auf dem Soonwaldsteig gab. In den letzten zwei Jahren gab es im Hochsommer überhaupt kein Wasser mehr, weil die Bäche und Quellen alle versiegt waren. Das sollte nach den Regenfällen im Mai aber dieses Jahr wohl nicht unser Problem sein. Wir hatten uns für einen aufschraubbaren Filter für unsere Weithalstrinkflasche und für Chlortabletten entscheiden. Den Filter hatten wir schon auf dem Neanderlandsteig getest. Trinkblasen benutzen wir schon seit Jahren. Da waren wir also vorbereitet.
Ein völlig ungeplanter geplanter Einkauf
Nach dem Packen, Wiegen und Probewandern ergab sich eine gewisse Einkaufs-Wunschliste für unseren Besuch bei Globetrotter. Für mich standen lauter Teile drauf, die in meinem Equiment zu schwer waren:
- Regenjacke
- Windbreaker
- abzipbare Hose
Außerdem wollte ich nach Trailrunning-Schuhen schauen, wenn ich die auch eher zum Joggen haben wollte. Ich wollte die mal ausprobieren, ob mir das Tragegefühl zusagte. Kaufen eher nicht, im Moment joggte ich glücklich mit meinen Barfußschuhen.
Jule hatte eigentlich gar nicht so was konkretes. Sie wollte „mal“ nach Klamotten gucken. Für den Soonwaldsteig fehlte uns eigentlich nur ein Schäufelchen und das Essen. Unseren Termin hatten wir für 16 Uhr gebucht, das waren 2 Stunden bis der Laden schloss. Das sollte ja zu schaffen sein. Außerdem hatte ich vorab online mal nach leichten 2-Mann-Zelten geguckt, die könnten wir uns ja mal anschauen, ob das wirklich einen Unterschied machte. Aber dafür nochmals Geld ausgeben, wollten wir natürlich nicht.
Am Ende standen wir um 17:55 Uhr mit folgenden Dingen an der Kasse:
- einem sehr leichten 2-Personen-Trekking-Zelt
- einem neuen Paar B-Wanderstiefel + Socken für Jule
- einem neuen Paar Trailrunning-Schuhe für Christin
- je 4x Trek’n’Eat-Tüten
Die Trek’n’Eat-Tüten hatten wir um 17:45 Uhr eingesammelt, als die Durchsage kam, dass gleich Ladenschluss war. Schäufelchen waren ausverkauft, wie mir ein Verkäufer eben schnell noch sagte. Ich hatte nicht ein Teil Klamotten anprobiert oder sogar angefasst.
Was war in den zwei Stunden mit uns passiert? Reinkommen mit Test war kein Problem. Oben am Eingang sagte der Türsteher zur einer anderen Kundin, dass die Termine eigentlich für die Schuhe waren, da sind wir direkt runter in die Schuhabteilung geflitzt. Allerdings waren die mit den Terminen etwas hinten dran. Also kamen wir auf die Liste und man würde uns anrufen, wenn wir dran wären. Da wir eh schon unten waren, könnten wir die Zeit überbrücken, in dem wir uns mal die vier Zelte von meiner Liste ansähen. Da gerade eh genau „unsere“ Zelte für einen anderen Kunden aufgebaut wurden/waren, stellten wir uns einfach dazu und nahmen die Beratung mit. Eine Dreiviertelstunde später hatten wir bereits 4 von 4 Zelte ausgeschlossen, hatten bezüglich des Packmaßes und Gewichts dieser Zelte einen Kicheranfall hinter uns, weil die alle so klein und leicht waren, und lagen im MSR Hubba Hubba NX und überlegten, ob wir das Zelt kaufen sollten, als die Schuhabteilung anrief. Das Hubba Hubba hatte ich gar nicht auf der Liste, weil ich die Gewichtsgrenze bei 1,5 kg gezogen hatte. Aber dazu gibt es zum Glück tolle Berater, die einem zuhören und das passende Produkt für einen finden. Meine vier Zelte passten aus verschiedene Gründen nicht. Das eine war zu kompliziert aufzubauen, das eine war zu kurz, das nächste zu schmal, das letzte zu niedrig. Aber das Hubba Hubba passte auf uns perfekt.
Jetzt mussten wir aber erstmal rüber zu den Schuhen. Die Uhr sagte, dass wir noch 1:15 h Zeit hatten. Wir erklärten unsere Wünsche und die nette Beraterin fing an, Schuhkartons herbeizuschleppen. Für Jule Wanderstiefel. Ihre jetzigen waren ihr zu eng geworden. Und für mich eben Trailrunner. Ich fing an mit dem ersten Paar den Pool zu umrunden, während Jule die hochalpine Strecke mit ihren Wanderstiefeln testete. Zwischendurch hielten mich die Jungs von der Zeltberatung an und fragten, ob ein 10%iger Rabatt unsere Entscheidung beeinflussen könnte. Konnte er. Bei der nächsten Joggingrunde, wollte ich das Zelt und bestellte noch den passenden Footprint. Der war nicht vorrätig. Wir wollten ihn nach Bonn liefern lassen, da wir eh schon überlegt hatten, dort noch im Outlet auf der Hinfahrt zu stöbern. In der Zwischenzeit hatte Jule nach zig Versuchen endlich ihr Traumpaar gefunden. Natürlich wieder ein Lowa. Die Zeit drängte. Es war 17:40 Uhr als wir zu den Aufzügen hechteten und hoch fuhren. Wir schnappen uns eben ein paar Essenstüten als die Durchsage kam. Naja, den Rest habt ihr oben schon gelesen.

Zuhause mussten wir allerdings feststellen, dass sich Jule den Stress mit den Schuhen hätte sparen können. Sie hatte exakt dasselbe Modell genommen, welches sie bereits hatte, nur 1 Nummer größer. Braucht jemand ein gebrauchtes Paar Lowa Mauria GTX Gr. 8?
Es kann losgehen

Am Montag hätte ich eigentlich wieder mit der Naheland-Touristik telefonieren wollen. Aber es war ja auch irgendwie zu spät. Die Rucksäcke standen gepackt in der Ecke. Was hätte es geändert, wenn die Trekking-Camps jetzt doch geschlossen blieben? Am Dienstagmorgen fand ich auf der Homepage die aktuelle Meldung, dass die Trekkingcamps ab Mittwoch geöffnet seien!!! Wir würden also tatsächlich den Soonwaldsteig laufen können. Dann konnte ich jetzt unbesorgt die letzten Lebensmittel kaufen. Ich stiefelte sofort ins Dorf und kaufte Energie-Riegel und Trockenobst. Zur Feier des Tages verpasste ich meinen Wanderstiefeln noch eine Portion Wachs. Am Freitag würden wir losfahren. Endlich raus! Endlich!
Hallo, ihr zwei.
Ich wünsche euch viel Spaß, tolle Eindrücke und kommt gesund zurück.
Hier mein Bericht zum Soonwaldsteig:http://timorisch.blogspot.com/2017/07/soonwald-die-wilde-tour.html
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Vielen Dank für deine guten Wünsche. Die Tour sind wir in der ersten Juni gelaufen. Die Berichte kommen jetzt nach und nach. Vielen Dank auch für deinen eigenen Bericht. Ist schon spannend, wie einzelne so einen Weg erlebt. Dir noch viele schöne Wanderungen und weitere spannende Erlebnisse.
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